Mit Verint Speech Analytics in die schöne, neue Webhelp-Welt?

Dankenswerterweise hat der Betriebsrat Berlin-Moabit vor kurzem, intern eine Duldungsvereinbarung des Webhelp-Gesamtbetriebsrats (GBR) veröffentlicht. Wir empfehlen euch die aufmerksame Lektüre im Intranet!

Für den Zeitraum 01.01.2022 bis 31.03.2022 duldet der GBR vorerst den Einsatz der Software Verint Speech Analytics zur Auswertung unserer Gespräche. Dabei werden unsere Voice Files in Text umgewandelt und können so automatisiert vom Auftraggeber nach bestimmten Begriffen durchsucht werden. Das aufwändige, manuelle Abhören und Auswerten von Stichproben entfällt. Das erledigt nun Künstliche Intelligenz (KI).

Verint wirbt damit, bis zu 100% aller Gespräche transkribieren und analysieren zu können. So kann "festgestellt werden, ob beispielsweise eine vertriebliche Ansprache erfolgt ist, die Authentifizierung gemäß Arbeitsanweisungen durchgeführt wurde, ob Self-Service-Lösungen empfohlen wurden etc." heisst es in einer Nebenvereinbarung zwischen Webhelp und dem Auftraggeber.

Ein sehr weites Feld für Überwachung und Kontrolle unseres Verhaltens, unserer Arbeitsleistung. Selbstverständlich nur zum Wohle der Kund*innen und der Servicequalität.

In der Duldungsvereinbarung hat der GBR einige Auflagen zum Einsatz von Verint gemacht, z.B. "dürfen daraus personalrechtliche Maßnahmen wie z.B. Zielvereinbarungen, Abmahnungen, Versetzungen oder Kündigungen, nicht abgeleitet werden. Geschieht dies dennoch, so gelten solche Maßnahmen als unwirksam (...)." Insbesondere ein Ausschluss aus dem Projekt durch den Auftraggeber soll nicht erfolgen können. Außerdem soll die Datenspeicherung nur in der EU erfolgen. Dritte, also der Auftraggeber, sollen Mitarbeiter*innendaten nur in anonymisierter Form erhalten etc.

Der GBR hat sich also erkennbar bemüht, den Einsatz dieser Sprachanalyse-Software zu begrenzen und seine Mitbestimmungsrechte zu wahren.
Aber der wunde Punkt dieser Erduldungsvereinbarung ist: Diese Regelungsabrede bindet zwar Webhelp und den GBR, aber eben nicht den Auftraggeber. Verint Speech Analytics ist ein Kontrollinstrument in der Hand des Auftraggebers, durchleuchtet die Mitarbeiter*innen, aber zugleich ja auch die internen Prozesse der Dienstleister. Ziel ist Überwachung und Kostensenkung

Webhelp selbst bestreitet auf seiner Facebook-Seite, dass Verint-Software aktuell in seinen Projekten eingesetzt wird.

Wir hätten erwartet, dass der GBR selbst die betroffenen Mitarbeiter*innen an den verschiedenen Standorten über diese Vereinbarung informiert. Wenn man entscheidet, stellvertretend für die Mitarbeiter*innen, den Einsatz dieses KI-Systems zu (er)dulden, dann haben die Mitarbeiter*innen zumindest Transparenz und frühzeitige Information verdient.

No Fun Fact: RWE hat bereits 2014, für den Einsatz von Verint-Software bei seinen Callcenter-Dienstleistern, den Big Brother Award bekommen. 

Aus der Laudatio: "Die dafür verwendete Datenkrakensoftware bei der RWE hat einen Hersteller mit wohlklingendem Namen: „Verint Systems“. Das System geht in seiner Ahnentabelle zurück auf Geheimdienstler, die sich mit einer tollen Geschäftsidee und echtem Spionage-Know-How selbstständig gemacht haben. (...)
Unsere Preisträgerin bedient sich mit dieser Aufzeichnung also eines Instrumentes der Qualitätskontrolle, das so etwas wie die Cousine der Überwachungstechnik der Geheimdienste ist.

Dahinter steht ein Serviceverständnis, das Sie aus der Welt des Yoga kennen: Die Ganzheitlichkeit. Jetzt wird nämlich der arme Callcenteragent ganzheitlich in seiner Leistung überprüft. Nicht nur der Inhalt des Gesprächs – einschließlich der Tonlage, der Dauer, der Stimmungen usw. – sondern auch viele seiner sonstigen Aktivitäten während des Gesprächs und bei der Nachbereitung werden erfasst.".

© S. Hermann & F. Richter/ pixabay



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